Lese-Tipp

In neuerer Zeit hat sich eine literarische Auseinandersetzung mit Sterben und Tod etabliert. Thomas Wild, Seelsorger im Inselspital und Leseratte, hat sich auf Spurensuche gemacht.

Thomas Wild, Sie haben nachgeforscht, inwieweit die Themen Tod, Sterben und Spiritualität in der Literatur vorhanden sind und wie sie behandelt werden. Was hat Sie dazu bewogen?
In der Literatur habe ich einen immensen Schatz an Weisheiten und philosophischer Tiefe entdeckt. Als Leseratte versuchte ich diese Fundstücke zu sammeln und zu ordnen. Ich bin also sozusagen der Zwerg auf den Schultern der Riesen, der sich einen Überblick verschafft.
Als Co-Leiter der Seelsorge im Inselspital haben Sie oft Kontakt mit sterbenden Menschen. Hat Sie Ihre tägliche Arbeit zu diesem Buch inspiriert?
Indirekt ja. Die Begegnungen mit Patientinnen, Patienten und Angehörigen, mit tragischen Schicksalen und bewegenden Sterbeprozessen lässt mich immer wieder staunen und manchmal auch erschaudern. Die Auseinandersetzung damit führt in einen Lernprozess, innerhalb dessen sich auch die eigene Spiritualität wandelt und vertieft.
Dem Buch liegen verschiedene Metaphern zugrunde wie die Todesmetaphern von Thomas Macho. Erleben Sie das Sterben im Spital auch als technisches Geschehen?
Thomas Machos Buch ist 1987 erschienen. In einer Zeit, da der Trend zu Grosskliniken mit hochtechnologischer Intensivmedizin, in denen Menschen nur noch an Apparaten hängen, das Bild vom Sterben im Spital geprägt hat. Heute ist das, zumindest bei uns, definitiv anders. Ich beobachte in allen Kliniken, auch im INO, einen äusserst behutsamen und respektvollen Umgang mit Sterbenden und Angehörigen.
Was wünschen Sie sich als Spitalseelsorger im Zusammenhang mit dem Sterben?
Allem voran, dass wir als sterbliche Menschen und als Spitalangestellte keinen übertrieben ängstlichen oder gar vermeidenden Umgang mit Sterben und Tod pflegen. Im Bewusstsein, dass wir nicht ewig da sind, kann sogar eine Wertsteigerung des täglichen, aber alles andere als selbstverständlichen Lebens liegen. Eine solche Haltung hilft vermutlich auch im Umgang mit unheilbaren Krankheiten und bei der Umstellung auf Komforttherapien.

Leseprobe

 

Thomas Wild, 1961 in Luzern geboren, ist Theologe und Systemtherapeut. Er arbeitet als Co-Leiter des Seelsorgeteams im Inselspital.

Literarische Spuren einer Spiritualität des Sterbens. ISBN 978-3-87173-645-2