Verborgenes Vorhofflimmern bei Diabetes

Eine Forschungsgruppe des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Universität Bern hat in einer grossen Studie das Vorhofflimmern bei Personen mit und ohne Diabetes studiert. Patientinnen und Patienten mit Diabetes wiesen deutlich häufiger verborgenes (asymptomatisches) Vorhofflimmern auf. Herzkreislaufprobleme wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Hirnschlag treten bei Diabetikerinnen und Diabetikern mit Vorhofflimmern häufiger auf und die Lebensqualität wird als schlechter eingestuft. Die Forschenden stellen aufgrund der häufigen asymptomatischen Vorhofflimmern und der schwereren Begleiterkrankungen eine systematische Überwachung (Screening) auf Vorhofflimmern bei Diabetes zur Diskussion.

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Bei unter 40-Jährigen tritt es bei etwa 5 von 1000 Personen auf. Dieser Wert steigt auf über 100 Betroffene pro tausend bei Personen über 80 Jahre. Fachleute unterscheiden die Erscheinungsformen (Phänotypen) von Vorhofflimmern nach der Dauer des Auftretens (nur vorübergehend oder dauerhaft vorhanden) sowie nach der Wahrnehmung durch die Betroffenen (symptomatisch / asymptomatisch). Bekannt ist, dass Diabetes ein Risikofaktor für Herzkreislaufkrankheiten und neurologische Erkrankungen ist. Unklar war, wie die verschiedenen Phänotypen Vorhofflimmern bei Personen mit bzw. ohne Diabetes auftreten. Weiter untersuchte das Forschungsteam die gleichzeitig auftretenden Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) in den Bereichen Herz-Kreislauf / Neurologie und erhob Angaben zur Lebensqualität.

Überraschendes Ergebnis: Personen mit Diabetes oft mit unbemerktem Vorhofflimmern

In der Regel bemerken Patientinnen und Patienten ein Vorhofflimmern aufgrund eines unregelmässigen und schnellen Herzschlags. Die Studie zeigte zur Überraschung der Forschenden, dass Vorhofflimmern bei Personen mit Diabetes viel häufiger unbemerkt, ohne deutliche Symptome auftrat als bei der Vergleichsgruppe. Erstautorin PD Dr. Arjola Bano, Forscherin am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern und Universitätsklinik für Kardiologie macht deutlich: «Dieses Resultat ist für die Betroffenen wichtig:«Dieses Resultat ist für die Betroffenen wichtig: Es ist zu vermuten, dass Vorhofflimmern bei Diabetikern möglicherweise übersehen, bzw. erst spät untersucht wird. Damit könnten die nötigen Vorsorgemassnahmen wie Blutverdünnung nicht rechtzeitig eingeleitet werden. Das Risiko für Folgeschäden, zum Beispiel eines Hirnschlags, steigt.» 

Mehr Begleiterkrankungen: Bluthochdruck, Herzinfarkt, Hirnschlag

Die Gruppe mit Diabetes zeichnet sich durch erhöhte Anzahl an Personen mit Bluthochdruck, Herzinfarkt (Myokardinfarkt) und Herzversagen aus. Namentlich Personen unter Insulin-Therapie, also mit einer fortgeschrittenen, schweren Form von Diabetes, erlitten häufiger Herzinfarkte und Herzversagen.

Auch bei den neurologischen Problemen ergab sich ein ähnliches Bild. Verglichen mit den Nicht-Diabetikern erlitten Personen mit Diabetes häufiger einen Hirnschlag und litten unter Hirnschäden.

Grosse Studie im Rahmen der Swiss-AF-Kohorte

Diese Analyse aus der vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Swiss-AF-Studie wertete 2411 Personen mit Vorhofflimmern sowie mit vollständigen Daten zu Symptomen, Lebensqualität, Herz-Kreislaufproblemen und neurologischen Begleiterkrankungen aus. Insgesamt 420 Patientinnen und Patienten (17.4%) hatten eine Diabetesdiagnose. Das mittlere Alter betrug 73 Jahre.

Wichtige Folgerungen aus interdisziplinärer Sicht

Die vorliegende Publikation unterstreicht die Wichtigkeit von interdisziplinären Arbeiten. Diabetes erweist sich immer mehr als eine Art Dreh- und Angelpunkt zahlreicher Erkrankungen. Obschon die Blutzuckerkrankheit schon sehr lange Zeit bekannt ist – Wir feiern 100 Jahre Entdeckung des Insulins – kommen in jüngster Zeit zahlreiche neue Erkenntnisse hinzu. Prof. Dr. Christoph Stettler, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie und Metabolismus (UDEM) führt dazu aus: «Das Inselspital hat die Forschung im Bereich Diabetologie in den letzten fünf Jahren stark intensiviert. Sollte sich der Verdacht erhärten, dass bei Diabetikerinnen und Diabetikern ein asymptomatisches, nicht wahrgenommenes Vorhofflimmern öfter auftritt, müssten wir diese Gruppe generell früher und systematischer untersuchen.»

Folgestudien in Planung

Der innovative Ansatz der Studie bestand darin, die Phänotypen von Vorhofflimmern der Gruppe der Diabetespatientinnen und –patienten gesondert zu untersuchen. Der Studienleiter Prof. Dr. med. Tobias Reichlin, Stv. Chefarzt der Universitätsklinik für Kardiologie erläutert: «Durch die Zusammenarbeit der Fachbereiche der Kardiologie, der Neurologie, der Allgemeinen Inneren Medizin und der Diabetologie ergeben sich nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern vor allem auch praktische Vorteile für die Patientinnen und Patienten. Eine Folgestudie bei Diabetespatienten mit implantierbaren Herzmonitoren als laufendes Screening für Vorhofflimmern könnte uns weitere Erkenntnisse über die Erkrankung und vor allem über möglichen Behandlungen liefern.»

 

Expertin, Experten:

  • PD Dr. Arjola Bano MD, PhD, Postdoctoral Research Fellow, Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern und Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern 
  • Prof. Dr. med. Christoph Stettler, Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie Ernährungsmedizin & Metabolismus (UDEM), Inselspital, Universitätsspital Bern 
  • Prof. Dr. med. Tobias Reichlin, Stv. Chefarzt Universitätsklinik für Kardiologie, Leiter Rhythmologie und kardiale Elektrophysiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern 

 

Links:

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Sie tritt öfter bei älteren Menschen (über 10% über 80 Jahre) auf. Studiert wurden die Phänotypen: Dauer des Auftretens (nur vorübergehend oder dauerhaft vorhanden) und Wahrnehmung durch die Betroffenen (symptomatisch / asymptomatisch).

Bei Personen mit Diabetes trat Vorhofflimmern häufiger unbemerkt auf. Namentlich Personen unter Insulin-Therapie, mit einer fortgeschrittenen, schweren Form von Diabetes, erlitten häufiger Herzinfarkte und Herzversagen.

PD Dr. Arjola Bano MD, PhD, Postdoctoral Research Fellow, Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern und Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern

Prof. Dr. med. Christoph Stettler, Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie Ernährungsmedizin & Metabolismus (UDEM), Inselspital, Universitätsspital Bern

Prof. Dr. med. Tobias Reichlin, Stv. Chefarzt Universitätsklinik für Kardiologie, Leiter Rhythmologie und kardiale Elektrophysiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern