Entschiedener Einsatz für die Kleinsten

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Kinder- und Jugendmedizin sind schwierig. Mit dem Credo «Kinder brauchen mehr» will die Stiftung KinderInsel Bern dort helfen, wo das Gesundheitswesen an seine Grenzen stösst. Geschäftsführerin Corinne Daepp erklärt, was fehlt, was möglich ist und was die Stiftung hierzu beisteuern kann.

Wie ist die Stiftung KinderInsel Bern entstanden?
Kindern den Spitalaufenthalt zu erleichtern und gleichzeitig eine Unterfinanzierung der Kinderklinik auszuweisen, sind zwei Dinge, die sich nicht vereinen lassen. Deshalb wurde auf Initiative der Direktion der Kinderklinik und des Verwaltungsrats der Insel Gruppe in Zusammenarbeit mit den Fondskommissionsmitgliedern vom batzebär die Stiftung KinderInsel Bern ins Leben gerufen. Wir finanzieren uns durch Spenden von Firmen, Institutionen und Privaten.

 



Welche Ziele verfolgt die KinderInsel Bern konkret?
«Children first» heisst es in der Kinderklinik – das gilt auch für uns. Kinder und Jugendliche sollen sich in der Kinderklinik wohlfühlen. Ablenkung, Beschäftigung, eine altersentsprechende Infrastruktur und die Unterstützung der Familien inklusive der Geschwister sind dabei wichtige Faktoren. Zudem fördern wir wissenschaftliche Projekte mit unseren «KinderInsel Grants» und die spezifische Weiterbildung der Klinikmitarbeitenden. Wir möchten ebenfalls dazu beitragen, die Ursachen der strukturellen Unterfinanzierung langfristig zu beseitigen.

Was unterscheidet die Kinder- und Jugendmedizin von der Erwachsenenmedizin?
Ein Frühchen ist 30 Zentimeter gross, ein Jugendlicher kann zwei Meter gross sein. Beide werden in der Kinderklinik betreut, haben aber komplett unterschiedliche Bedürfnisse. Zudem sind Kinder im Spital in Begleitung ihrer Eltern, und so gilt es, die Behandlung mit allen Anwesenden abzusprechen. Für Kinder und Jugendliche ist der Aufbau einer Vertrauensbeziehung zentral, um medizinische Behandlungen zuzulassen – das braucht Zeit. Ein wichtiger Unterschied besteht auch darin, dass es in der Erwachsenenmedizin viele Facharztpraxen mit spezialisiertem Personal gibt. In der Kindermedizin jedoch nicht, hier sind die Spezialistinnen und Spezialisten meist in einem Spital tätig.

Und heute sind die medizinisch notwendigen Behandlungen insbesondere im ambulanten Bereich strukturell unterfinanziert.
Auf politischer Ebene gab es diesbezüglich viele Vorstösse, die positiv beantwortet wurden. Aufgrund des Wartens auf den kinderfreundlichen Nachfolgetarif Tardoc wurde jedoch mit der Umsetzung zugewartet, und Covid-19 hat das Thema depriorisiert. Die Kinderspitäler setzen sich weiterhin gemeinsam für eine faire Vergütung ein. Die Behandlung von Kindern ist nicht nur teurer, weil sie zeitintensiver ist: Es braucht auch altersspezifische Gerätschaften und individuellere Lösungen.

Was konnte die Stiftung bis anhin bewirken?
Wir haben eine Teilzeitanstellung in der pädiatrischen Palliativpflege finanziert, Möbel und eine Spielplatzsanierung ermöglicht und viele kleine Projekte umgesetzt, um die Wartezeit im Kindernotfallzentrum etwas zu verkürzen und für Ablenkung zu sorgen. Weitere Neuerungen, die derzeit umgesetzt werden, sind neue Trennwände und eine Handy-Ladestation für den Kindernotfall. Zudem wird eine zusätzliche Musiktherapeutin angestellt. Dass kleine Projekte zu ganz vielen strahlenden Gesichtern führen, ist toll!

Was ist der Hauptgrund für die finanzielle Schieflage der Schweizer Kinderspitäler?
Der Anteil an ambulanten Behandlungen in Kinderspitälern ist sehr gross und steigt weiter, weil es zu wenig Kinder- und Jugendpraxen gibt. Die Vergütung ambulanter Konsultationen deckt die Kosten nicht annähernd. So wird das Defizit mit jeder ambulanten Behandlung vergrössert. Eine «effiziente» Kindermedizin ist eine Forderung, die nicht einzuhalten ist. Das Wohl des Kindes steht an erster Stelle: Das ist für das Pflegepersonal sowie für die Ärztinnen und Ärzte nicht verhandelbar. Ändern müssen sich die Rahmenbedingungen in der Kinder- und Jugendmedizin.

Die medizinische Behandlung von Kindern schliesst auch «weiche» Faktoren wie zum Beispiel Angstlinderung oder Aufheiterung mit ein.
Die KinderInsel Bern unterstützt die Finanzierung von Spiel- und Malsachen sowie von Therapiegeräten und organisiert Bastelnachmittage. Ein grosser Spielzeugkran, den die Liebherr Baumaschinen AG der Ergotherapie gesponsert hat, ist sicherlich eines der tollsten Therapiegeräte, das es für Kinder gibt! Wir suchen immer wieder das Gespräch mit der Pflegeleitung und den Abteilungen, um deren Bedürfnisse in Erfahrung zu bringen und geeignete Lösungen zu finden.

 

Welches Thema im Kontext der Kinder- und Jugendmedizin liegt dir besonders am Herzen?
Als Mutter dreier Kinder kenne ich die Kinderklinik aus eigener Erfahrung und weiss, wie wertvoll es ist, wenn das Kind basteln oder ein neues Spielzeug entdecken kann. Wie stark die ganze Familienorganisation durch ein Kind im Spital aus dem Gleichgewicht fällt, wird einem erst bewusst, wenn es passiert. Deshalb ist es für mich wichtig, dass wir uns für die ganze Familie einsetzen.

Stichwort Vision: Wo siehst du die Stiftung in fünf Jahren?
Ich wünsche mir, dass die Kinderkliniken, -spitäler und Interessenvertreter auf politischer Ebene eine faire Entschädigung der Kindermedizin erreichen können. Dass die KinderInsel Bern viele Ideen und Projekte finanziert und umgesetzt hat und dass wir im Einzugsgebiet bekannt sind, um die Finanzierung langfristig zu sichern. Und das Wichtigste: Die kleinen Patientinnen und Patienten, ihre Eltern und die Klinikmitarbeitenden sind glücklich, dass es uns gibt und dass wir gemeinsam so viel erreicht haben. Das ist meine Vision.